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Kashgar/China, 22.9.2014

Garm/Tadschikistan, 2.9.2014
2. September 2014
Schenkenfelden, 24.10.2014
24. Oktober 2014

Kashgar/China, 22. September 2014

Tja, wir haben es geschafft – wir sind seit 4 Tagen in China! Derzeit sind wir in Kashgar, einem der wichtigsten Knotenpunkte der Seidenstraße, und genießen die bunte Welt des Orients, gutes uigurisches Essen und die entspannte Atmosphäre in einem Backpacker-Hostel in der umtriebigen Altstadt. Bis ins Old Kashgar Youth Hostel zu kommen war allerdings alles andere als einfach!

Tja, letzten Montag waren wir noch in Afghanistan, wo wir aufgrund der unklaren Sicherheitslage nur im Umkreis des Grenzortes Sultan Ishkashim geblieben sind. Dieser schön gelegene Ort mit herrlichem Blick auf die schneebedeckten Siebentausender des Hindukusch Gebirges wird hauptsächlich von Ismaelis bewohnt, einer toleranten Gruppe von Muslimen, deren religiöses Oberhaupt Aga Khan ist. Ismaelis finden sich auch im Norden Pakistans, in der Pamir Region in Tadschikistan und im Südwesten Chinas. Wir haben 3 interessante Tage in dieser Gegend verbracht, wo Frauen in der Öffentlichkeit nur mit Kopftuch bzw. Burka zu sehen sind. Auf der tadschikischen Seite in der Autonomen Region Gorno Badakhshan hingegen haben ismaelische Mädchen und Frauen viel mehr Freiheiten und Rechte, und viele von ihnen wirken sehr selbstbewusst und sind tlw. auch sehr westlich geprägt. Viele von ihnen haben Verwandte auf der afghanischen Seite, mit denen sie neben ihrer Religion auch die gemeinsame Sprache verbindet. Allerdings will kaum jemand von ihnen nach Afghanistan reisen, und es gibt auch nur ganz wenige Brücken bzw. Grenzübergänge über den Grenzfluss Panj, der später zum Amur Daja wird. Die Einreise nach Afghanistan am einsamen Grenzübergang Ishkashim dauerte sehr lange, da die tadschikischen Zöllner gerade wieder mal eine längere Teepause machten und der afghanische Zöllner erst mit dem Motorrad aus Sultan Ishkashim kommen musste. Mit seiner Hilfe fanden wir ein Guesthouse für 15$ pro Tag inkl. Dinner und Frühstück. Wir erlebten die meisten Afghanis als sehr freundlich und freuten uns über das gute Essen in Afghanistan, das vielfältiger und besser gewürzt ist als das etwas langweilige Essen in Kirgisistan und Tadschikistan, wo man als Vegetarier wahrlich kein leichtes Leben hat.

Den afghanischen Teil des Wakhan Gebiets haben wir nun doch ausgelassen, da die Reise zu zweit zu teuer ist. Für die ca. 200 km nach Sarhad-i-Broghil – über sehr schlechte Straßen – bezahlt man nämlich mit dem Jeep stolze 450$ (für 10 Stunden Fahrt). Und wenn man nach einer mehrtägigen Tour mit Yaks (20$ pro Tag) wieder zurück nach Sultan Ishkashim will, dann fallen nochmals 450$ an! Ich hoffe, dass ich diese wunderbare Gegend nächstes Jahr mit meinen pakistanischen Freunden bereisen kann, da durch ihre Sprachkenntnisse das Reisen im Wakhan wesentlich einfacher sein wird.

Vor unserem Afghanistan-Besuch waren wir noch fast 2 Wochen im Pamir Gebirge unterwegs. Unglaubliche 93 % der Fläche Tadschikistans sind gebirgig. Viele Straßen sind in einem schlechten Zustand, sodass z. B. die Reise von der Hauptstadt Dushanbe nach Khorog ganze 16 Stunden dauert! Wir haben in den Bergen viele freundliche Menschen getroffen und sehr viel Gastfreundschaft erfahren. Wir sind oft zum Tee und auch immer wieder zum Übernachten eingeladen worden, sodass wir unser Zelt nur sehr selten benützt haben. Fürs Übernachten und Essen haben wir meist so um die 10-15 US $ pro Person und Tag gegeben, da viele Menschen wirklich wenig zum Leben haben. Ein Vater hat vor unseren Augen eine Ziege geschlachtet, damit er seinem Sohn Geld zum Studieren mitgeben kann.

Der Nordosten Tadschikistans wird von strenggläubigen Sunniten bewohnt, die zu uns sehr freundlich waren. Außer uns gab es in Karategin, wie diese Gegend auch heißt, keine Touristen. In Tajikobod haben wir eine Familie besucht, bei der ich vor 2 Jahren zu Gast war. Meine Fotos, die ich ihnen per Post geschickt hatte, haben sie erstaunlicherweise wirklich bekommen. Wir wurden äußerst großzügig bewirtet und alle freuten sich über meine Seidenstraße-Präsentation, in der sie auch vorkommen. Auf meinem Tablett-PC, auf dem ich auch meine Fotos speichere, habe ich schon vielen Menschen meine Präsentationen über ihr Land vorgeführt, und ich habe mich sehr über ihre überaus positiven Reaktionen gefreut. Im Osten Karategins, einst ein bedeutender Teil der Seidenstraße, leben viele Kirgisen im Sommer in ihren Jurten. Von ihnen wurden wir beim Zelten großzügig mit frischem Joghurt, Butter und Brot versorgt. Die Gastfreundschaft der Menschen in Tadschikistan und Kirgisistan ist wirklich unglaublich, und auch in der Hauptstadt Dushanbe sind wir vielen freundlichen Menschen begegnet. In China hingegen sind die Menschen nicht ganz so freundlich, aber dafür sind die Straßen in der Regel sehr gut ausgebaut.

Vor einigen Jahren haben die Chinesen eine neue Straße bzw. einen neuen Grenzübergang über den 4365m hohen Kulma Pass nach Tadschikistan gebaut, der bis Ende Mai nur von Chinesen und Tadschiken benutzt werden durfte. Seit 1. Juni ist das aber ein internationaler Grenzübergang. Wir haben daher einem chinesischen LKW-Fahrer 50 Dollar gegeben, damit er uns von Khorog über den Pamir Highway nach Murghab und von dort zum Kulma Pass mitnimmt. Die Nacht haben wir auf 3600m im leeren und extrem staubigen Container des LKWs verbracht. Dank einer Plastikplane als Staubschutz und guten Schlafsäcke haben wir die eiskalte Nacht halbwegs gut überstanden. Das wirkliche Abenteuer sollte allerdings erst so gegen Mittag beginnen: Es war nämlich außer einem Hongkong-Chinesen wahrscheinlich noch keinem anderen Reisenden gelungen diesen Grenzübergang erfolgreich zu passieren! Die Chinesen verweigerten uns nämlich die Einreise mit der Begründung, dass dies KEIN internationaler Grenzübergang sei! Wir waren ziemlich frustriert, da uns ein ziemlich mühsamer und teurer Umweg über Kirgisistan drohte, um nach Kashgar zu kommen. Ich wollte allerdings nicht aufgeben und rief die österreichische Botschaft in Peking an. Die chinesische Mitarbeiterin verstand allerdings nicht, worum es ging, sodass unsere Lage immer aussichtsloser wurde. Da tauchte dann plötzlich wie aus heiterem Himmel eine hochrangige chinesische Delegation auf der tadschikischen Seite auf. Ich nutzte die Gelegenheit und brachte dem Chef der Chinesen mit Hilfe eines sehr hilfsbereiten tadschikischen Zöllners mein Anliegen vor. Der rief dann seinen Vorgesetzten an und meinte dann lächelnd: „You can come to China!“ Es war also ein kleines Wunder geschehen! Wir waren überglücklich durch diese wunderbare Fügung. Voller Freude zeigte ich einem chinesischen Officer während der Wartezeit auf eine Mitfahrgelegenheit meine Präsentation über China. Mit einem LKW erreichten wir dann kurz danach die am Karakorum Highway gelegene Zollstation, die ganz neu ist. Die Zollbeamten waren extrem freundlich und hilfsbereit. Eine Stunde später hatten wir dann endlich unsere Einreisestempel in den Pässen – geschafft!

Erleichtert und voller Freude setzten wir uns in eine nahegelegene Jurte, tranken Tee und löffelten genüsslich eine Suppe. Da tauchte plötzlich ein junger Zöllner auf und forderte uns sehr unfreundlich auf, wieder zur Zollstation zurückzukommen. Ich musste ihnen mein Tablet geben, auf dem sie nach dem Video suchten, das ich dem Officer an der Grenze gezeigt hatte. Da gibt es nämlich eine kurze Video-Sequenz, auf der in einer größeren Menschenmenge auch einige Polizisten zu sehen sind. Für mich eine absolut unverfängliche Szene, nicht aber für den pflichtbewussten Zöllner! Nachdem sie das Video am Tablet nicht gefunden hatten, musste ich ihnen meinen USB-Stick geben. Gott sei Dank habe ich 2 ganz gleiche Sticks. Ich gab ihnen also den einen, auf denen ich meine Fotos gespeichert habe. Den suchten sie verzweifelt nach dem Video ab. Ich erklärte ihnen, dass ich das Video in der Zwischenzeit gelöscht hätte. Danach wollten sie einen ihrer USB-Sticks an meinem Tablet anstecken. Ich stellte mich dann dumm, als ihr Stick von meinem Rechner nicht erkannt wurde. Irgendwann wurde es ihnen dann zu blöde und sie gaben mir nach einer Stunde wieder meinen Pass zurück – wieder mal Glück gehabt!

Danach fuhren wir weiter zum Karaköl See, wo wir in einer Jurte übernachteten. Der herrliche Blick auf den majestätischen Mustagh Ata (7500m) und die fast 5000 Yaks im Tal entschädigte uns für den anstrengenden Tag. Tags darauf genossen wir die Wanderung um den 3645 m hoch gelegenen See, schlossen Freundschaft mit einigen Kamelen und nahmen ein kurzes und sehr erfrischendes Bad im glasklaren Wasser.

Ja, und morgen geht’s dann nach einem sehr angenehmen Aufenthalt in Kashgar mit Besuch des faszinierenden Sonntagsmarkts und nach Aufgabe unseres nicht mehr benötigten Gepäcks entlang der südlichen Route der Seidenstraße weiter nach Hotan. Von dort fahren wir dann durch die Taklamakan Wüste in den Norden weiter Richtung Turfan und von dort weiter in den Osten über Dunhuang bis Xi´an, dem Beginn der Seidenstraße. Und am 15. Oktober geht’s dann von Peking über Moskau wieder nach Hause. Ich freue mich bereits auf meinen ersten Vortrag am 14. November im Kulturhaus Im Schöffl in Engerwitzdorf, wo ich viele eindrucksvolle Bilder und Videos von meiner jetzigen Reise präsentieren werde. Eine Woche früher (am 5. November) präsentiere ich um 19:30 meinen neu überarbeiteten Indien-Vortrag im Volkshaus Dornach in Linz. Weitere Termine unter https://www.rudolf-gossenreiter.at/termine/

Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen mit möglichst vielen von euch und möchte mich bei all jenen entschuldigen, die mir geschrieben haben und denen ich nicht antworten konnte, da ich lange Zeit in Gegenden ohne Internetverbindung unterwegs gewesen bin. Ja, es gibt sie also noch: eine Welt ohne Internet und Telefon – und auch ohne Stress …

Herzliche Grüße aus Kashgar und bis bald inshallah

Euer Mukti